Die Glocken vom Kirchturm der evangelischen Kirche bleiben ab heute erstmals zwischen 22 Uhr und morgens um 6 Uhr stumm – so der Beschluss des Gemeinderates, der damit auf ein Begehren aus der Bevölkerung reagiert hat. Ob es klappt? Mit besonderer Spannung wartet Werner Wieser auf diesen Moment.
Bildbericht: Erich Gmünder
Fast zwei Wochen vergingen, bis der Gemeinderatsbeschluss vom 20. Oktober umgesetzt werden konnte. Für die Umsetzung ist der Mesmer der evangelischen Kirche, Werner Wieser, zuständig. Ein Besuch bei ihm zeigt, warum die Programmierung so aufwendig ist.
Glocken begleiten das Dorf durch das Jahr
Werner Wieser ist seit 1998 Mesmer der Grubenmann-Kirche und hütet diese wie seinen Augapfel. Der Kirchendienst ist bis ins Detail geregelt und umfasst mehrere Ordner. Allein das Läutreglement und seine Umsetzung füllen einen ganzen Ordner: Stundenschlag, Morgen-, Elfuhr- und Abendläuten (das sogenannte „Dämmerungsläuten“), das Einläuten des Sonntags, die Ankündigung der Gottesdienste und Beerdigungen sind genau beschrieben und gehorchen einem ausgetüftelten Konzept. Dazu kommen die die kirchlichen Feiertage und jene des Nationalstaates wie der 1. August.
Auf alle diese Bedingungen musste bei der Neuprogrammierung Rücksicht genommen werden. Bei jedem Geläute wird genau angegeben, in welcher Reihenfolge welche Glocken angeschlagen werden. Eine halbe Stunde vor einer Beerdigung wissen die alteingesessenen Teufner beispielsweise aufgrund der Glocken, ob ein Mann (tiefste Glocke), eine Frau (zweitgrösste Glocke) oder ein Kind (kleinste Glocke) zu Grabe getragen wird. Und verbrieft ist auch, dass innerhalb der gleichen Stunde nicht zweimal geläutet werden darf.
Das Programm kam mit der Post
Verantwortlich für die Programmierung ist die Firma Muff AG. Aufgrund der detaillierten Angaben erstellt sie ein Computerprogramm, das auf einem Memory-Stick (wie bei einer digitalen Fotokamera) geliefert wird.
Heute Mittag war es soweit: Die Karte wurde per Post angeliefert und von Werner Wieser umgehend eingesetzt. Wenn alles klappt, verstummt die Kirchturmuhr heute Abend nach dem zehnten Schlag – und bleibt dann stumm bis morgens um 6 Uhr.
Am Nachmittag konnte Werner Wieser den Behörden von Einwohner- und Kirchgemeinde mitteilen, dass die Programmierung erfolgt ist und „das Uhrschlagwerk zwischen 22.01 und 05.59 Uhr abgestellt wird.“ An Samstagen, Sonn- und Feiertagen entfällt auch das Morgenläuten um 6 Uhr.
Bis 2019 programmiert
Werner Wieser benutzte die Gelegenheit der aufwendigen Programmierung, um Stundenschlag und reguläres Kirchgeläute bis ins Jahr 2019 festzulegen. Rund 200 Seiten umfasst das PDF-Dokument, das er nun im gelben Ordner ablegen kann.
Ausserhalb dieses Programms ab „Läutcomputer“ hat Werner Wieser aber nach wie vor Zugriff auf die herkömmliche Bedienung, wo er jede einzelne Glocke oder das ganze Geläute in Betrieb nehmen kann. Jede Glocke verfügt über einen eigenen Schalter. So kann er die Gottesdienste, Beerdigungen oder das Geläute zu besonderen Anlässen selber steuern.
Spannung um 22.15 Uhr
Damit er während Gottesdiensten dafür nicht seinen Regieplatz beim Hinterausgang verlassen muss, verfügt er dafür sogar über eine Fernbedienung. Eine mobile Lösung mit einer iPad-Steuerung, wie sie bei einzelnen Kirchen bereits eingesetzt wird, ist in Teufen noch Zukunftsmusik.
Ob die Programmierung geklappt hat, weiss Werner Wieser frühestens heute um 22.15 Uhr – wenn der erste Viertelstundenschlag programmgemäss ausbleibt. Der Hüter der Grubenmannkirche wird diesen Abend wohl seine Ohren besonders spitzen.
