Die «Tüüfner Bären»

04.11.2021 | Timo Züst
Pfarrer
Sie bekommen den «Tüüfner Bär» (v. l. n. r.): Verena Hubmann, Andrea Anker und Stefan Staub. Foto: tiz Diesen Sonntag wird der 10. «Tüüfner Bär» verliehen. Er geht an zwei Institutionen und drei Personen: Die beiden Pfarrerinnen Verena Hubmann und Andrea Anker von der Evangelisch- Reformierten Kirchgemeinde und Diakon Stefan Staub von der Katholischen Pfarrei Teufen-Bühler- Stein. Ausgezeichnet werden sie für ihr ökumenisches Engagement. Die TP hatte die drei für die September-Ausgabe interviewt. Das Gespräch hat nichts von seiner Aktualität verloren:

Auswahl und Feier

Der zehnte «Tüüfner Bär» wird Verena Hubmann, Andrea Anker und Stefan Staub am 7. November überreicht. Die Feier aber nicht öffentlich bzw. nur für geladene Gäste. Zur Wahl der drei sagt Christine Spring-Back von der Kulturkommission: «Uns ist schon länger aufgefallen, mit was für einer Selbstverständlichkeit und für einem grossen Engagement die beiden Pfarrerinnen und der Diakon das ökumenische Angebot im Dorf fördern. Während der Corona-Krise wurde das dann noch einmal deutlich sichtbarer. Dass der Kontakt zu den Gemeindemitgliedern auch in dieser schwierigen Zeit so gut aufrechterhalten wurde, ist bemerkenswert.»
Sie erhalten am 7. November den 10. «Tüüfner Bär». Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung? Verena Hubmann: Es freut mich sehr, denn es ist Ausdruck davon, dass unsere kirchliche Arbeit im Dorf geschätzt wird. Da die kirchliche Arbeit mehr im Zwischenmenschlichen und Spirituellen liegt, ist die Wirkung zumeist nicht so deutlich zu erkennen. Stefan Staub: Der erste Gedanke war: Diese Auszeichnung gehört nicht mir. Sie gehört allen Menschen, die sich in der Pfarrei einsetzen. Die Auszeichnung bedeutet für mich eine Wertschätzung der politischen und kulturellen Behörden unseres Wohnortes gegenüber den Menschen der kirchlichen Gemeinschaften. Andrea Anker: Dass unsere Arbeit in der Gemeinde so ein breites Echo findet, ist nicht selbstverständlich. Das liegt zu einem grossen Teil sicher auch an der guten Zusammenarbeit. Vor allem in der Corona-Zeit haben wir gespürt, wie viel wir aneinander haben. Die Kulturkommission hat Sie drei aufgrund Ihres gemeinsamen, ökumenischen Engagements vorgeschlagen. Wie schätzen sie das ökumenische Angebot in Teufen ein? Staub: Ökumene muss heute eine Selbstverständlichkeit sein. «Ökumene» ist das griechische Wort für Erde oder Erdkreis. Wie die Erde dem Leben als Grundlage dient, ist es die Ökumene für uns Kirchen. Menschen, denen christliche Wertehaltungen und Lebensanschauungen wichtig sind, orientieren sich primär nicht an kirchlichen Einstellungen, sondern an den christlichen Prinzipien. Da geht es nicht mehr um katholisch oder reformiert, sondern um gemeinsame, grundlegende Werte. Anker: Viele ökumenische Angebote existieren schon seit Jahrzehnten. Auch die ökumenischen Gottesdienste sind fix. Das erleichtert die Planung, gibt Sicherheit und stabilisiert die Ökumene. Der ökumenische Religionsunterricht in der Schule ist inzwischen auch eine Selbstverständlichkeit. Dort gäbe es aber durchaus noch Optimierungsbedarf, wie auch in der Jugendarbeit oder in der Erwachsenenbildung. Hubmann: Ich denke, wir tun, was zurzeit möglich ist und was sich bewährt hat. Wünschenswert fände ich, wenn die Weihnachtsfeier «Gemeinsam is(s)t Weihnacht» wieder zum ökumenischen Projekt würde. Zurzeit ist die Verantwortlichkeit auf unserer Seite. Grundsätzlich verlieren Landeskirchen in den vergangenen Jahren eher Mitglieder, als neue dazuzugewinnen. Gilt das auch für Ihre Gemeinde? Staub: Das spüren wir permanent. Oft sind es finanzielle Gründe, die die Menschen zum Austritt bewegen. Viele sind auch falsch informiert und glauben, mit den Kirchensteuern den Vatikan zu unterstützen. Sie wissen nicht, dass mit den Steuerbeiträgen die soziale, kulturelle und seelsorgliche Arbeit vor Ort finanziert wird. Hubmann: Wir sind mit Kirchenaustritten konfrontiert. In der Regel suchen wir mit den Austretenden das Gespräch und fragen nach den Beweggründen. Der persönliche Kontakt scheint in dieser Frage das A und O zu sein. Wer keine Beziehung zur Kirche hat, tritt eher aus. Anker: Für mich ist die abstrakte Mitgliederzahl relativ uninteressant. Spannend ist doch die Frage: Lebt die Kirchgemeinde und erreicht sie die Menschen? Es ist über 500 Jahre her, dass Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll (1517). Die Reformation war in ihren Anfängen eine revolutionäre Bewegung. Wie gross sind die Unterschiede heute noch? Hubmann: An der Basis gibt es eine grosse Annäherung. Bei der Dogmatik und der hierarchischen Verfasstheit sind die Unterschiede aber signifikant. Vor allem wenn es um die Frauenfrage geht, wird mir immer wieder bewusst, wie weit wir doch immer noch voneinander entfernt sind. Dass meine katholischen Kolleginnen als studierte Theologinnen keine vollwertigen Pfarrerinnen sein können und im Gegensatz zu ihren verheirateten männlichen Kollegen, denen immerhin der Weihegrad des Diakons offensteht, keinerlei Anrecht auf einen Weihegrad haben, ist für mich zutiefst befremdlich. Ebenso ergeht es mir beim Thema «Zölibat », wo ich dringenden Handlungsbedarf sehe. Staub: Ich teile die Wahrnehmung meiner Kollegin. Die weltweite Verfasstheit der katholischen Kirche fördert immer wieder Spannungen aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Nord und Süd, Ost und West zu Tage. Als katholischer Pfarreileiter fühle ich mich manchmal heute, wie sich wohl Martin Luther während der Reformation damals gefühlt hat. Unsere Pfarrei gilt im innerkatholischen «Kuchen» eher als Reformpfarrei, weil wir Strukturen aufbrechen und neue Wege gehen. Nicht aus Protest. Sondern, weil sich die Realitäten schneller verändert haben, als es die Amtskirche sieht. Anker: Was die Auslegung der Bibel, den Religionsunterricht und auch die Liturgie des Wort-Gottesdienstes anbelangt, hat man sich sehr stark angenähert. Hingegen sind das Amtsverständnis, die ganze Organisation der Kirche und auch die Praxis des Abendmahls, überhaupt die Praxis der Sakramente, der Beichte usw. immer noch sehr unterschiedlich. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren von Corona geprägt. Wie erging es Ihren Gemeinden? Hubmann: Die grösste Herausforderung war, mit den Menschen in unserer Kirchgemeinde in Kontakt zu bleiben. Zwei Erfahrungen sind für mich bleibend wichtig. Erstens: Wir mussten uns auch im Team neu organisieren und neue Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit finden. Zweitens: Wenn das Gewohnte und Eingespielte nicht mehr möglich ist, müssen neue Wege und Formen und kreative Lösungen gefunden werden. Staub: Der Lockdown gab uns die Möglichkeit, andere Formen der Kommunikation zu erlernen. Das Auffallendste war aber, dass in der zweiten Welle das Bedürfnis nach Gespräch und Begegnung enorm zugenommen hat. Viele Menschen waren schwer belastet durch diffuse Ängste und Einsamkeit. Anker: Ich denke, ganz gut. Aber klar: Im Nachhinein wurde uns bewusst, dass wir doch noch mehr hätten machen können. Ich finde es beispielsweise schlimm, dass wir uns nicht mehr eingesetzt haben für jene Menschen, die einsam und abgeschottet sterben mussten. Aber wir sahen uns in der akuten Pandemie-Phase nicht im Stande, die Kompetenz der Mediziner und die Regeln des Bundes grundlegend zu hinterfragen. Man hat auch auf neue technische Lösungen gesetzt. Wie gut kam das bei den Gläubigen an? Anker: Auf unsere Video-Andachten bekamen wir viele positive Rückmeldungen. Auch das Streaming unserer Gottesdienste seit März dieses Jahres ist eine Erfolgsgeschichte; mindestens so viele Menschen wie im Gottesdienst selbst dabei sind, schauen ihn sich online an. Viele davon sind nicht mehr mobil oder wohnen zu weit weg. Da ist dieses Angebot doch einfach toll! Staub: Die Übertragung der Sonntagsgottesdienste war ein grosses Bedürfnis. Oft haben während der zweiten und dritten Welle dank dem Streaming-Angebot mehr Menschen zugehört und zugeschaut als in den «normalen» Zeiten. Hubmann: Es ist für mich höchst faszinierend, wie dieses Medium Verbindungen in die Stuben und mit Menschen im eigenen Dorf und in der Region und bis in die weite Welt hinaus zu schaffen vermag. Die Corona-Pandemie kann als Zäsur verstanden werden. Glauben Sie, dass die Stellung der Kirche davon mittelfristig vielleicht sogar profitieren kann? Hubmann: Vielleicht. Auf jeden Fall denke ich, verstärkter Zusammenhalt und vertiefte Zusammenarbeit sind angezeigt – im ökumenischen und darüber hinaus im interreligiösen und interkulturellen Kontext. Staub: Da bin ich realistisch. Ich glaube, dass bei vielen der Wunsch besteht, möglichst schnell wieder in die gewohnte Normalität zurückzukehren. Allerdings frage ich mich, wie normal unsere «Normalität» tatsächlich war oder ist? Ich glaube, dass bei den meisten nicht viele Erkenntnisse haften bleiben werden. Aber es gibt auch jene, die Zusammenhänge klarer sehen und denen die Grenzen unserer Welt bewusst geworden sind. Anker: Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass all jene Institutionen und Einrichtungen, die von der Präsenz ihrer Mitglieder leben, es in Zukunft schwerer haben werden als vor der Pandemie. Und ehrlich gesagt: Wäre es nicht schrecklich, wenn die Kirchen von der Pandemie «profitieren» würden? Sowohl die Pandemie wie auch der Klimawandel und seine schlimmen Folgen sind für mich eher eine Aufforderung, umzudenken und selbstkritisch zu fragen: Sind wir eigentlich die, die wir sein sollen? Erfüllen wir unseren Auftrag oder sind wir überflüssig geworden?  tiz

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